Seit 15. Dezember 2011 gilt das Wahlrecht ab 16 Jahren in Brandenburg: Jugendliche können an Kommunal- und Landtagswahlen teilnehmen. Derzeit gibt es in Brandenburg etwa 2,1 Millionen Wahlberechtigte und circa 42.500 16- und 17-jährige Erstwähler*innen. Die nächste Landtagswahl findet am 1. September 2019 statt. Das erste Brandenburger Landesparlament bestimmten 16- und 17-Jährige im September 2014 mit. In dieser Altersgruppe lag die Wahlbeteiligung mit 41,5 Prozent deutlich höher als bei älteren Wählergruppen. Bei den 18- bis 20-Jährigen lag die Wahlbeteiligung bei 34 Prozent, bei den 21- bis 24-Jährigen sogar nur bei 26,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung aller Wahlberechtigten lag bei 48,5 Prozent.
Neben Bremen und Schleswig-Holstein ist Brandenburg übrigens das dritte Bundesland, in dem auch Jugendliche das Landesparlament wählen. An den Kommunalwahlen dürfen junge Menschen ab 16 Jahren inzwischen in elf Bundesländern teilnehmen.
Doch wie kam es dazu?
Im November 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention. Darin enthalten ist ein Artikel zur Berücksichtigung des Kinderwillens. In Artikel 12, Absatz 1 heißt es:
„Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“
Im Frühjahr 1992 wurde die Kinderrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Das war ein erster Schritt, um das Wahlrecht ab 16 in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen.
In Brandenburg brachte die heutige Partei DIE LINKE zum ersten Mal 1996 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung ein. Ziel war es, sowohl das Wahlalter als auch das Abstimmungsalter, z. B. bei Volks- und Bürgerbegehren, auf 16 Jahre zu senken. Der Gesetzentwurf schaffte es bis zur Anhörung im Hauptausschuss, wurde jedoch von der SPD-geführten Landesregierung abgelehnt. Danach passierte 13 Jahre nicht viel. 2002 und 2007 kam es noch einmal zu Anhörungen, die wieder erfolglos blieben. Die rot-schwarze Regierung lehnte die Änderung des Wahlgesetzes weiterhin ab. Erst nach den Landtagswahlen 2009 kam Bewegung in die Sache. Im rot-roten Koalitionsvertrag (zwischen den Regierungsfraktionen DIE LINKE und SPD) war vereinbart, dass die Koalitionspartner prüfen, ob junge Menschen früher mitentscheiden und schon mit 16 Jahren an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Von Landtagswahlen oder dem Abstimmungsrecht bei Volks- und Bürgerbegehren war zunächst keine Rede.
Überraschenderweise brachte im August 2010 die FDP einen Gesetzentwurf zur Änderung der brandenburgischen Verfassung in den Landtag ein. Dieser Antrag schaffte es bis zur Anhörung in den Innen-, Rechts- und Bildungsausschuss. Im Mai 2011 beantragte die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Innenausschuss die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch auf Landesebene. Das Problem von FDP und Grünen war, dass sie nicht in der Regierung sitzen. Sie können Anregungen geben und bestimmte Themen zur Diskussion stellen, aber keine Gesetze verabschieden. Änderungen können im momentanen Landtag nur mit den Stimmen der Koalitionspartner SPD und DIE LINKE erreicht werden.
Aber auch die SPD bewegte sich. Die SPD-Landtagsfraktion sprach sich im Juni 2011 erstmals dafür aus, das aktive Wahlrecht bei allen allgemeinen Wahlen und Volksabstimmungen, also auch bei Landtagswahlen, auf 16 Jahre zu senken. „Das Wahlrecht ab 16 ist ein Beitrag zu mehr Partizipation, Mündigkeit und Zutrauen“, erklärte der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Das war ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung.
Die Abgeordneten des Potsdamer Landtages haben schließlich am 15. Dezember 2011 ein Gesetz zur Änderung der Verfassung in namentlicher Abstimmung mit 62 Ja-Stimmen verabschiedet, 21 Abgeordnete stimmten dagegen. Für die Absenkung des Wahlrechtsalters war eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit des Landtages erforderlich. Die Koalition aus SPD und DIE LINKE bekam dabei Unterstützung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Die Verfassungsänderung regelt allein das aktive Wahlrecht in Brandenburg, also dass nun 16- und 17-Jährige wählen dürfen. Das passive Wahlrecht (also das Kandidieren für ein Amt) für 16- und 17-Jährige wurde nicht beschlossen.
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