In den vergangenen Monaten wurde im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg an einem Konzept gearbeitet, wie man die Beteiligung Jugendlicher an Demokratie und Wahlen in Brandenburg stärken möchte. Nun liegt ein erstes Konzept vor, das wir euch hier vorstellen möchten. Wir sind auf eure Meinungen gespannt.
Entwicklungen der letzten Jahre deuten auf eine Veränderung des politischen Partizipationsverhaltens in der Bundesrepublik wie im Land Brandenburg hin. Während die Beteiligung an Wahlen auf den verschiedenen politischen Ebenen (Kommunen, Land, Bund, Europa) in der Regel stagniert oder rückläufig ist und die Mitgliederzahlen der „etablierten“ Parteien sinken, haben außerparlamentarische Aktionen und Bündnisse an Bedeutung gewonnen. Für Jugendliche hat nach wie vor die Alltagspartizipation, das heißt das Einmischen und Einbringen in das Geschehen im eigenen Lebensumfeld, eine hohe Bedeutung. Dabei sind Erfahrungen demokratischen Handelns auch im „vorpolitischen“ Teil des Gemeinwesens häufig ein wichtiger Zugang, der später den Weg ebnet zu anderen Formen politischer Partizipation.
Eine zentrale Bedeutung für die Partizipationsbereitschaft hat offenbar der Eindruck der „Selbstwirksamkeit“, d.h. die Frage, ob das in Wahlen oder anderen Beteiligungsformen ausgedrückte Engagement wahrgenommen wird und Folgen hat. Die Gestaltung des Prozesses zur „Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen“ orientiert sich an Leitgedanken, die im Folgenden dargestellt werden.
I. Jugendbeteiligung im Prozess, jugendgerechte Kommunikationsformen
Kinder und Jugendliche verfügen über ein großes Lebenswelt-Wissen, das als „Expertenwissen“ die Qualität und die Treffgenauigkeit von Planungen steigert. Ein Leitgedanke für die Umsetzung der „Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen“ ist es daher, Jugendliche in Form einer „konsultativen Beteiligung“ an der Erarbeitung und Weiterentwicklung des Konzepts zu beteiligen. Die Landesstelle für demokratische Jugendbeteiligung hat dafür kurzfristig bei mehreren Kinder- und Jugendparlamenten Rückmeldungen eingeholt und der Landesjugendring eine Ideenwerkstatt „Mitwirkung mit Wirkung! – Jugendlichen Gehör verschaffen!“ durchgeführt.
Es zeigte sich, dass die Jugendlichen sich nicht hinreichend wahrgenommen fühlen in ihrem Interesse, sich zu beteiligen. Insbesondere von der Schule wurde eingefordert, die Jugendlichen mit ihren Ideen und Kompetenzen ernst zu nehmen. Gewünscht werden bessere Informationen zu Fragen der Jugendbeteiligung und Schülermitwirkung („nicht wissen, was möglich ist/wäre“). Man wünsche eine Auseinandersetzung mit „Jugendlichen auf Augenhöhe“. Immer wieder wird der persönliche Kontakt mit Politikerinnen und Politikern eingefordert, der nicht durch soziale Netzwerke im Internet ersetzt werden könne. Um den Leitgedanken der „Jugendbeteiligung im Prozess“ fortzusetzen und zu vertiefen, wird geprüft, ob bereits im Herbst 2012 ein Workshop zur Reflektion des Arbeitsstands und von Änderungsnotwendigkeiten stattfinden kann. Für 2013 ist eine Zwischenauswertung (Empfehlungen für Veränderung, Ergänzung) und für Ende 2014 eine Auswertungsveranstaltung mit Jugendlichen geplant. Eine lebhafte Debatte und rasante Entwicklung sind derzeit beim Thema „Digitale Demokratie“ zu verzeichnen. Die heutigen technischen Möglichkeiten eröffnen nicht nur für Jugendliche neue Formen und Inhalte der Partizipation. Ein Ansatz, der zur Entwicklung der digitalen Demokratie im Land Brandenburg beitragen kann, ist die Internetplattform www.machs-ab-16.de. Träger ist der Landesjugendring Brandenburg e.V. In den Jahren 2011 und 2012 erfolgt die Finanzierung aus Mitteln des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“, der BLzpB und des Landespräventionsrats. Ab 2013 ist eine Förderung aus Mitteln „Förderung der Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen“ vorgesehen. Die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung mit dem Ziel, Dialog und Interaktion auszubauen und die Authentizität zu erhöhen (z.B. durch Nutzung weiterer Medien, regelmäßige Veranstaltungsinfos und deren Bewertungen über Facebook), werden geprüft. Geprüft werden weiterhin Möglichkeiten einer Kooperation mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) zum Thema „Mediendemokratie“. Im September 2012 soll das MIZSummercamp „Meinungsbildung durch Debattieren“ (Medieninnovationszentrum) stattfinden. Ziel des Projekts ist es, die unterschiedlichen Möglichkeiten verschiedener Medien im Verbund zu nutzen, um junge Menschen gestaltend an den Entwicklungen der Medienlandschaft teilhaben zu lassen, an politische Themen heranzuführen und einen kritischen Umgang mit Medien und Meinungen zu üben. Im MIZ-Summercamp „Meinungsbildung durch Debattieren“ wird das Format entwickelt. Die Möglichkeit eines Folgeprojekts, das sich an Jugendliche ab 14 Jahren wenden soll, wird geprüft.
II. Unterstützung für engagierte Jugendliche und Multiplikatoren
In Verbänden, in Jugendclubs, in Kinder- und Jugendparlamenten, in Initiativen und nicht zuletzt in den Schulen engagieren sich junge Menschen für ihre eigenen Interessen, für andere Jugendliche oder das Gemeinwesen. Dabei werden sie von JugendleiterInnen, JugendarbeiterInnen, SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, PlanerInnen, MitarbeiterInnen aus Verwaltungen und ebenso von PolitikerInnen unterstützt. Das Engagement bezieht sich überwiegend auf die eigene Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Zentrale Bedeutung haben daher der Wohnort und die Schule. Die im kommunalen Raum möglichen Aktivitäten
sind konkret und in der Umsetzung erleb- und erfahrbar, sodass sie für viele Jugendliche motivierend wirken. Deutlich ist auch, dass eine starke Motivation in der Regel umso schwieriger wird, je „entfernter“ ein Beteiligungs- oder Mitwirkungsgremium von der eigenen Lebenswelt ist. Die Entwicklung der demokratischen Jugendbeteiligung soll daher insbesondere durch Vernetzung, Austausch und Qualifizierungsangebote für engagierte Jugendliche und Multiplikatoren unterstützt werden. In einem gewissen Umfang sollen auch Zuschüsse für Aktivitäten vor Ort bereitgestellt werden.
- Jugendliche aus Jugendinitiativen, aus Jugendverbänden und Einrichtungen der Jugendarbeit/Clubräten, aus kommunalen Jugendparlamenten und Jugendbeiräten sowie aus Schülervertretungen, Schülerzeitungen/-radios u.a.m. sollen in „Werkstätten der Demokratie“ Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung, zur Weiterentwicklung und Qualifizierung zu Fragen der demokratischen Beteiligung und Interessenvertretung haben. Dabei sollen aktivierende Methoden, wie Planspiele und Trainings, der Umgang mit Medien, und die Kommunikation mit politischen Verantwortungsträgern eine besondere Rolle spielen wie auch spezielle Zielgruppen (z.B. Jugendliche mit Migrationshintergrund, benachteiligte Jugendliche) mit angesprochen und eingebunden werden. Für die Durchführung dieser Werkstätten der Demokratie sind die Jugendbildungsstätten im Land Brandenburg besonders geeignet.
- Viele beispielhafte Aktivitäten und Projekte der demokratischen Jugendbeteiligung finden in den Kommunen statt. Diese resultieren zum Teil aus Jugendinitiativen oder werden von Kommunen selbst, Trägern der Jugendhilfe und Jugendverbänden, Stadt- und Kreisjugendringen und anderen initiiert. Ein Beispiel dafür sind Jugendparlamente oder -beiräte. Solche Aktivitäten sollen aus den vorhandenen Mitteln unterstützt werden. Für diesen Zweck ist eine Kooperation mit dem Deutschen Kinderhilfswerk e.V. geplant (Förderfonds Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen; siehe unten unter IV.)
- Wie funktioniert demokratische Jugendbeteiligung, welche Ansätze gibt es, was ist zu beachten? Diese Fragen sollen in Form eines Handbuchs für Kommunen an Erwachsene herangetragen werden (Arbeitstitel „Kommunalhandbuch“, Finanzierung im Jahr 2012).
- Am 08. Februar 2012 hat die Veranstaltung „Jugendbeteiligung in Brandenburger Kommunen“ (Veranstalter: Landesjugendring e.V., Landesstelle für demokratische Jugendbeteiligung JuBB) das hohe Interesse an diesem Thema gezeigt. Aus den Reihen der Teilnehmenden wurde ein hohes Interesse an einem vertieften Austausch formuliert. Daher soll es beginnend im letzten Quartal 2012 mit einer ersten Regionalveranstaltung und fortgesetzt im Jahr 2013 insgesamt vier Regionalveranstaltungen zum Thema „Jugendbeteiligung“ geben.
III. Informationen für junge Menschen
Rückmeldungen von Jugendlichen zeigen, dass viele Informationen über Beteiligungsrechte, Methoden, Möglichkeiten oder vorhandene Projekte häufig auch den engagierten Jugendlichen nicht bekannt sind. Ein besonders ausgeprägtes Interesse und einen Informationsbedarf gibt es zum Thema „Wahlalter 16“. Um den Erstwählerinnen und Erstwählern die Nutzung ihres Wahlrechts zu erleichtern, sollen daher insbesondere Informationen über das demokratische System auf der Ebene der Kommunen und des Landes, das Wahlrecht und den Wahlablauf zur Verfügung gestellt werden. Um Extremismus-gefährdete und bildungsferne Jugendliche zu erreichen und zur Beteiligung zu motivieren, müssen spezielle für die ländlichen Regionen Brandenburgs entwickelte Formen der Demokratieförderung gefunden werden. Die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ der Landesregierung wird deshalb unter Mitwirkung bestehender Strukturen wie dem landesweiten Beratungsnetzwerk, den Kooperationspartnern des „Toleranten Brandenburgs“ und Partnern innerhalb der Landesregierung ein Konzept zur Arbeit mit rechtsaffinen Jugendlichen entwickeln und gemeinsam umsetzen. Zielgruppe sind in erster Linie politikferne Jugendliche mit teilweise demokratiefeindlichen Tendenzen, die als schwer erreichbar gelten. Aus der umschriebenen Zielgruppe sollen möglichst viele Jugendliche aus einer genderreflektierten Perspektive angesprochen werden. Ziel ist eine breitenwirksame Sensibilisierung, Aufklärung und Aktivierung von Jugendlichen. Dabei sollen Kenntnisse über Demokratie begreifbar gemacht und die Vorzüge demokratischer Beteiligung vermittelt werden. Eine herausragende Rolle wird der Zugang über die Schulen haben. Dabei muss als besondere Herausforderung berücksichtigt werden, dass durch die Absenkung des Wahlalters eine
Schülerklientel angesprochen wird, die durch spezifische Formen und Methoden erreicht werden kann: Oberschüler/-innen der Jahrgangsstufe 10 werden 2014 Erstwähler sein. Damit ergibt sich für Oberschulen – im Unterschied zu Gesamtschulen, Gymnasien und OSZ – erstmals die Situation, dass Schüler/-innen wahlberechtigt werden. Die vom LISUM gesteuerten schulischen Angebote sollen auf diese Besonderheit eingehen und Lehrkräfte an Oberschulen gezielt adressieren. Zu diesem Zweck soll über das LISUM ein Projekt „Die Demokratie bist DU“ (Arbeitstitel) mit folgenden Eckpunkten durchgeführt werden:
Nach einer Konzeptentwicklung bietet das LISUM im Rahmen seiner regulären Aufgaben noch im Jahr 2012 Informations- und Qualifizierungsangebote für Lehrkräfte an:
- auf der Ebene der Fortbildung der Berater/-innen (Veranstaltung im Rahmen der modularen Qualifizierung),
- auf der Ebene der Qualifizierung der Schulleitungen und Schulaufsicht,
- auf der Ebene der Programme (Hands across the campus…).
Dabei soll Bezug auf Materialien zur U18-Wahl aus anderen Bundesländern genommen werden, die auf die Brandenburger Situation zugeschnitten werden sollen.
- In Kooperation des LISUM mit einem freien Träger soll im Schuljahr 2013/2014 eine Kampagne gestartet werden unter dem Arbeitstitel „Die Demokratie bist Du“, in deren Rahmen Vorhaben wie Fortbildungen für Lehrkräfte und Gremienvertreter, die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien, die Durchführung von Veranstaltungen in den Schulamtsregionen sowie öffentlichkeitswirksame Aktivitäten (z.B. Ausstellungsprojekt oder Film) vorgesehen sind.
- Gefördert wird die „1. Lernwerkstatt Demokratie“, ein Aktionstag am 20. August 2012 (20 Jahre Verfassung des Landes Brandenburg) als Seminarveranstaltung in Form eines Planspiels mit ca. 150 Schülerinnen und Schülern im Landtag (Landesschülerrat und LISUM mit RAA, Tolerantes Brandenburg, Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V., Demokratisch Handeln e.V.). Dabei soll auch über die Schülergremienarbeit informiert und diese hinterfragt werden.
Für das Jahr 2013 plant der Landesjugendring in Kooperation mit der Koordinierungsstelle für das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ die „Tage der Demokratie“. Als ein aktivierender Ansatz ist die Methode des Planspiels angedacht. Das Wahlalter 16 soll in den kommenden Jahren intensiv kommuniziert werden. Möglichkeiten für eine parteipolitisch neutrale Information und Mobilisierung von Jungwählerinnen und Jungwählern sollen für das Jahr 2014 (weiter)entwickelt werden (z.B. Internet-Plattform „machs ab 16“, Projekt „Junior-Wahl“). Weiterhin soll der Wettbewerb „Jugend debattiert“
einbezogen werden. Bei allen Projekten und Aktivitäten müssen die Verwaltungsvorschriften über die Organisation der Schulen in inneren und äußeren Schulangelegenheiten (VV-Schulbetrieb) vom 29.
Juni 2010, insbesondere § 12 (Einbeziehung von Sachkundigen und politisch Verantwortlichen) berücksichtigt werden.
IV. Zum weiteren Verfahren
Bei der Umsetzung des Rahmenkonzepts arbeitet das MBJS mit anderen Ressorts der Landesregierung und externen Partnern zusammen. Es wird ein Beirat eingerichtet. Das gemeinsame Engagement zur Stärkung der Beteiligung von Jugendlichen soll 2014 in einem „Jahr der Partizipation“ zusammengeführt werden. Kooperiert wird mit dem Deutschen Kinderhilfswerk, das angeboten hat, mit einem „Förderfonds
Beteiligung von Jugendlichen an Demokratie und Wahlen“ die finanztechnische Abwicklung und inhaltliche Begleitung eines kleinteiligen Förderprogramms in enger Abstimmung mit den zuständigen Stellen des Landes Brandenburg zu unterstützen und hierfür die erforderlichen Strukturen und Personalressourcen bereitzustellen. Inhaltlich soll sich der Förderfonds an Projekten ausrichten, die prozessorientierte Jugendbeteiligung, die Unterstützung für engagierte Jugendliche und Multiplikatoren sowie Informationen für junge Menschen, speziell auch zum Wahlalter 16, im Land Brandenburg ermöglichen. Angedacht sind
Fördersummen von bis zu 5000 € je Projekt, die in zwei Förderrunden pro Jahr in Abstimmung mit dem Land Brandenburg vergeben werden. Das DKHW will den Förderfonds zudem mit 7.500 € aus eigenen Mitteln aufstocken. Eine erste Umsetzung ist für das DKHW noch im Jahr 2012 möglich.