Am 6. Mai 2015 hat das estnische Parlament eine Verfassungsänderung in Kraft gesetzt, mit der das Alter für das aktive Wahlrecht bei kommunalen Abstimmungen auf 16 Jahre gesenkt wurde. Damit geht Estland einen ähnlichen Weg wie Brandenburg – bislang allerdings nur auf kommunaler Basis. In Brandenburg hingegen ist seit 2011 auch eine Teilnahme an Landtagswahlen ab 16 Jahren möglich. Die estnischen Volksvertreter_innen haben am 11. Februar in erster Sitzung dem Vorschlag zugestimmt, der wegen der Besonderheiten des estnischen Systems jedoch noch einmal von dem neu gewählten Parlament bestätigt werden musste. Dadurch wurde ein zusätzlicher Wahlgang notwendig.
Hintergrund der Änderung war wie in Deutschland eine intensive Diskussion über die Veränderung der Altersstruktur und der Wunsch, Jugendlichen einen direkten Einfluss auf die Politik zu ermöglichen. Nicht nur wir, sondern auch viele Fachleute und Politikwissenschaftler_innen betrachten dafür die Wahlen auf kommunaler Ebene als ein sehr gutes Mittel. Nun wird 24.000 estnischen Jugendlichen erstmals die Möglichkeit gegeben, bei den Kommunalwahlen 2017 für ihre Interessen einzutreten.
Gegen den Vorschlag stimmten zehn Abgeordnete, 62 befürworteten ihn und lediglich zwei Teilnehmende enthielten sich der Stimme. Dadurch wurde trotz der großen Mehrheit die Grenze von mindestens 61 Ja-Stimmen knapp erreicht, die in Estland für eine Änderung der Verfassung notwendig sind. Dieser Ausgang war leider nicht selbstverständlich, denn bis zuletzt war der Antrag umstritten und spaltete die Vertreter_innen aller Lager. Die meisten Befürworter_innen fand der gemeinschaftlich eingebrachte Vorschlag übrigens bei der liberal-konservativen Freien Partei und bei der Sozialdemokratischen Partei. Redner_innen der Konservativen Partei und der linksliberalen Zentrumspartei sahen hingegen keinen Reformbedarf.